Im ersten Halbjahr 2023 sind die Investitionen in die deutsche Gründerszene rasant abgestürzt. Das weckt die Sorge vor einer Pleite-Welle. Auch etablierte große Start-ups bekommen zunehmend Probleme, wie Beispiele zeigen. Es gibt nur wenige Gewinner.
Die Dachterrasse mit Blick über den Hafen musste geschlossen bleiben: Ein Sommersturm tobte um den Hamburger Büroturm der Großkanzlei Taylor Wessing – geradezu symbolisch für das Thema des Vortrags vor wohlhabenden Investoren und Risikokapitalgebern.
Die Juristen informierten vor wenigen Tagen darüber, wie Start-ups wetterfest werden und an Geld kommen, wenn es für sie keine klassischen Finanzierungsrunden mehr gibt. „Finanzierungsalternativen in der Krise“ stellte Top-Jurist Jens Wolf vor: Wandeldarlehen und spezielle Risiko-Kredite sind solche teuren und komplexen Instrumente, Start-ups am Leben zu halten.
Diese Notfall-Instrumente werden immer öfter nötig – und nur selten sprechen Gründer und Geldgeber öffentlich darüber. Denn die Start-up-Blase aus den Jahren 2021/22 ist endgültig geplatzt. Nach außen verbreitet die Szene Optimismus, doch intern herrscht die Furcht davor, dass die Krise zu einer größeren Pleitewelle führen könnte.
Die Summe, die Investoren in junge deutsche Wachstumsunternehmen gesteckt haben, ist im ersten Halbjahr 2023 im Vorjahresvergleich um satte 49 Prozent zusammengesackt. Mit gut drei Milliarden Euro liegt der Wert damit zwar wieder auf dem Niveau der Halbjahre vor der Pandemie. Jedoch müssen sich mehr Start-ups das Geld teilen – für das einzelne Unternehmen bleibt also weniger übrig. Größere Anschlussrunden für diejenigen Start-ups, die in der Euphorie-Phase das reichlich fließende Geld verbrannt haben, sind daher kaum absehbar.
Das sind Ergebnisse des „Start-up-Monitors“, den die Beratung EY regelmäßig veröffentlicht. Die Experten erkennen in der viel beachteten Studie einen „deutlichen Dämpfer für die deutsche Startup-Szene“. „Klar ist, dass die großen geopolitischen Risiken, der hohe Inflationsdruck, das hohe Zinsniveau und die schwache Konjunkturentwicklung zu einem schwierigen Finanzierungsumfeld im Start-up-Ökosystem hierzulande geführt haben“, erklärte EY-Partner Thomas Prüver.
Was so abstrakt klingt, hat in der Praxis heftige Folgen. Spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Euphorie in der Szene einer Ernüchterung gewichen. Die steigenden Zinsen und die rasant gefallenen Börsenkurse von unprofitablen jungen Unternehmen wie About You und Auto 1 führen dazu, dass die Risikokapitalgeber vor großen neuen Investitionen zurückschrecken – vor allem bei solchen Start-ups, die schon länger am Markt sind, ohne profitabel zu sein.
Quelle: die Welt Online: https://www.welt.de/wirtschaft/article246412938/About-You-Auto1-Flink-Tier-Die-deutsche-Start-up-Blase-platzt.html